Mit vereinten Kräften arbeiten die DB Töchter daran, dass die S-Bahn Stuttgart wieder pünktlicher wird. Sie berichteten heute im Verkehrsausschuss über den Stand ihrer Pünktlichkeits- und Qualitätsoffensive für die Region Stuttgart. Anwesend waren Vertreter der DB Regio AG als Betreiberin der S-Bahn und der DB Netz AG als Verantwortliche für die Schieneninfrastruktur sowie der DB Station Service AG und des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart GmbH (VVS), die bei der Fahrgastinfo eine zentrale Rolle spielen. Der Deutschland-Chef von Bombardier Transportation informierte über die restliche Auslieferung und den Schiebetritt der neuen S-Bahn-Fahrzeuge ET 430. Die Fraktionen Grüne und SPD hatten diese Aussprache beantragt.
Bereits nach der Sondersitzung des Verkehrsausschusses zur S-Bahn-Qualität vom Oktober 2013 war klar: Es gibt einige Hebel, an denen die DB Töchter ansetzen, um die S-Bahn Stuttgart wieder verlässlicher zu machen. Ebenso klar war auch: nachhaltige Erfolge brauchen Zeit. Oder, wie es Verkehrsdirektor Dr. Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart formulierte: „In der Pünktlichkeitsstatistik wird sich das erst spürbar niederschlagen, wenn alle Maßnahmen bis 2016 realisiert sind.“ Doch, Wirkungen werden sich nur einstellen, wenn diese nicht durch externe Einflüsse, wie misslungene Baustellen, zunichte gemacht werden, sagte er.
Neue S-Bahn-Flotte soll im Herbst 2014 komplett sein
Bis Ende des Jahres sollen alle 87 neuen S-Bahn-Fahrzeuge des Typs ET 430 ausgeliefert sein, stellte Michael Clausecker, Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, in Aussicht. Bereits heute seien 48 S-Bahn-Fahrzeuge in Stuttgart angekommen. Sorgenkind sind die Schiebetritte an den neuen Fahrzeugen, die derzeit abgeschaltet sind. Für dieses Problem gebe es Lösungen, so Clausecker. In Kooperation mit dem Zulieferer der Schiebetritte, der Firma Faiveley Transport, sollen bis August konstruktive Änderungen an der Hard- und Software vorgenommen werden. Nach dem Einbau des Prototyps solle Anfang 2015 der erste Testbetrieb erfolgen. Erst nach Gutachten und Zulassung könnten dann sukzessive die 87 Züge innerhalb von etwa eineinhalb Jahren nachgerüstet werden. Ein schwacher Trost für die Region: Die Mängel beim Schiebetritt hätten planerische und personelle Konsequenzen gehabt.
Nach Auskunft von S-Bahn-Chef Hans-Albrecht Krause sollen ab Ende August die neuen Fahrzeuge auf der S3 unterwegs sein. Im Herbst sollen auch auf der S2 alle S-Bahn-Fahrzeuge ausgetauscht sein. Gleichzeitig werden die Fahrzeuge ET 423 einer Frischzellenkur unterzogen, derzeit seien 14 grundlegend überarbeitete ET 423 im Einsatz.
„Jede Sekunde zählt“
Für den Chef der S-Bahn Stuttgart, Hans-Albrecht Krause, zählt beim Ein- und Aussteigen der Fahrgäste jede Sekunde. Deshalb hat die S-Bahn Stuttgart das gleichnamige Programm aufgelegt. Durch eine schnellere Abfertigung der Züge am Hauptbahnhof seit März 2014 (Station Stadtmitte soll im Oktober folgen), durch S-Bahn-Helfer und häufigere Ansagen am Bahnsteig wurden die Haltezeiten um 5 bis 10 Sekunden verringert, so Krause. In der Wirkung gewinnen wir weitere Sekunden, wenn die Züge auf der S1 Ende des Jahres verlängert werden können. Auch die Betriebsabläufe seien unter die Lupe genommen worden. So seien unter anderem Rangiervorgänge optimiert worden.
10 Millionen Euro mehr für Infrastruktur
„Wir haben bereits viel bewegt und werden noch viel bewegen“, sagte Karsten Erhardt, stellvertretender Leiter Produktion Südwest der DB Netz AG. Im Vergleich zum Vorjahr hat die DB Netz AG ihr Budget für Investitionen im Bereich der S-Bahn Stuttgart um 10 Millionen Euro auf insgesamt 51 Millionen Euro aufgestockt. Bezogen auf andere S-Bahn-Netze sei dies „mehr als überdurchschnittlich“. Es gehe um die Bestandserhaltung, die Instandsetzung und die Prävention bei Strecken ebenso wie bei der Leit- und Sicherungstechnik. „Die volle Wirkung könne sich aber nur in Kombination mit einer Stabilisierung der Betriebsführung einstellen, so Erhardt. Hier wird der Blick - entsprechend dem ÖPNV-Pakt - auf das Gesamtsystem Schienenverkehr der Region gerichtet, um bei der Grundpünktlichkeit noch „ein Schippchen draufzulegen“. Ziel sei es, zum Beispiel durch Veränderungen bei der Gleisbelegung Optimierungen zu erreichen. Eine „Trendwende“ sei noch nicht erreicht, aber eine Stabilisierung sowie „erste positive Wirkungen“, so Erhardt. An den drei neuralgischen Punkten Tunnelstrecke, S6/S60 Korntal – Renningen und Hauptbahnhof solle ein „Null-Fehler-Konzept“ umgesetzt werden. Denn 45 Prozent aller Verspätungen, die durch Infrastruktur hervorgerufen werden, seien diesen Bereichen zuzurechnen.
Verbesserung der Anschlussqualität
Thomas Knöller vom VVS erkennt „punktuell noch Spielräume“ bei den Anschlüssen von Bussen an die S-Bahn. Legt man eine Verspätung der S-Bahn von 6 Minuten zu Grunde, würden heute 45 Prozent der Anschlüsse erreicht. Sofern Echtzeitinformationen ausgebaut und Busfahrpläne angepasst würden, könnten möglicherweise 66 Prozent der Anschlüsse erreicht werden. Er empfiehlt den heutigen Mindest-Zeitpuffer der Busse von 2 Minuten auf 6 Minuten – zumindest zu einigen Zeiten - zu erhöhen.
Bessere Fahrgast-Informationen im Fall der Fälle
„Zuverlässige und schnelle Kundeninformation ist das Ziel, wenn es zu Störungen kommt“, erläuterte Hans-Albrecht Krause. Hier sei nicht immer alles optimal gelaufen. Eine akribische Untersuchung der komplexen Informationsketten habe zu neuen Informationsprozessen geführt. Im Fall der Fälle gelte es aber auch zuverlässig die Störfallkonzepte oder die betrieblichen ad hoc-Entscheidungen einzuhalten, damit verlässlich informiert werden kann. „Wir sind noch nicht toll, aber es haben sich schon Verbesserungen eingestellt“, so Krause. Nikolaus Hebding, Leiter Bahnhofsmanagement der DB Station & Service AG, erläuterte, dass diese Informationen dank „eigener Ansager“ nun auch besser und einheitlicher am Bahnsteig ankommen – per Lautsprecher und auf den Fahrgastinformations-Anlagen. Auch die bis Ende 2014 flächendeckende Echtzeitinformation des VVS trage zu einer solideren Information bei.
Weitere Anstrengungen im Bereich der Infrastruktur gefordert
Eva Mannhardt (Grüne) stellte fest: „da passiert einiges; dass Handlungsbedarf besteht, ist angekommen“. Gleichwohl gebe es noch eine „krasse Unpünktlichkeit“ der S-Bahn. Deshalb müsse bei der Infrastruktur noch mehr Geld in die Hand genommen werden. Sie regte an, Druck aus dem S-Bahn-Betrieb zu bringen, indem S-Bahnen regulär in den Hauptbahnhof (oben) fahren. „Die Maßnahmen beginnen zu wirken, allerdings nicht schnell genug“, sagte Thomas Leipnitz (SPD). Bei der Infrastruktur müsse noch mehr Einsatz gezeigt werden. „Fassungslos“ sei er, dass die Schiebetritte grob überschlagen erst 2016/2017 zum Einsatz kommen sollen. Sein Fazit: „Es gibt viel zu tun, bitte packen Sie’s an!“.
Wichtig für Rainer Ganske (CDU) ist das Entzerren von Mischverkehrsstrecken. In Punkto Anschlusssicherheit sei nicht die Ausdünnung des öffentlichen Verkehrs anzustreben, sondern eine Lösung für das gesamte System. „Wir müssen den ÖPNV gesamthaft denken, das geschieht hier nicht“. Verlässliche Takte dürften nicht zur Disposition stehen. „Die S-Bahn hat sich über die Jahre verschlechtert, daran führt kein Weg vorbei“, formulierte Bernhard Maier (Freie Wähler). Trotzdem gehe er von einer hohen Qualität der S-Bahn Stuttgart aus, was sich aber erst im Vergleich mit anderen Pünktlichkeitswerten belegen ließe. „Geduld und Vertrauen“, daran müsse sich die DB messen lassen. Armin Serwani (FDP) sagte: „Machen wir die S-Bahn nicht schlechter als sie ist.“ Allerdings sei sie früher ohne die genannten Maßnahmen besser gewesen. Verbesserungsbedarf sieht er bei der Information. Wolfgang Hoepfner (Linke) konnte außer einigen Einzelerfolgen keine Verbesserungen erkennen. „Ich höre die Botschaft sehr wohl, aber mir fehlt das Vertrauen“. Die Werte seien inakzeptabel schlecht.
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