Die Region Stuttgart positioniert sich klar für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung des S-Bahn-Angebots. Im Vorfeld der anstehenden Ausschreibung des neuen Verkehrsvertrags hat der Verkehrsausschuss des Verband Region Stuttgart deswegen die vorrangigen Strecken und Maßnahmen identifiziert, die in den kommenden Jahren in das S-Bahn-System aufgenommen werden sollen. Die nun festgelegten Ausbauprioritäten beinhalten:
- Viertelstundentakt S60/S66 bis Stuttgart-Schwabstraße: Die ursprünglich geplante S62 konnte wegen betrieblicher Probleme nicht umgesetzt werden. Zusätzliche Züge der S60 sollen in der Hauptverkehrszeit ab Renningen über Stuttgart-Feuerbach perspektivisch bis zur Stammstrecke fahren und damit die Funktion der S62 übernehmen. Dadurch kann die Hermann-Hesse-Bahn durchgehend zwischen Weil der Stadt und Renningen fahren. Der mit der S66 verbundene Infrastrukturaufwand ist derzeit beherrschbar. Die nötigen Fahrzeuge für den dichteren Takt zwischen Böblingen und Renningen sind bereits vorhanden.
- S-Bahn Filstal (Schwabstraße – Süßen): Die ursprünglich geplante vollständige Umsetzung der S-Bahn-Linie Schwabstraße–Geislingen ist laut DB InfraGO wegen zeitlicher und finanzieller Unsicherheiten, insbesondere bei Planung und ETCS-Ausrüstung, derzeit nicht realisierbar. Perspektivisch ist die Verbindung Schwabstraße – Süßen vorgesehen, mit Rückfallebene über Bad Cannstatt. Dies wäre ein erster Schritt zur Anbindung des Filstals.
- Schusterbahn (Stundentakt zwischen Untertürkheim und Kornwestheim): Der bisher nur sporadisch bediente Abschnitt soll aufgewertet werden und zwischen Untertürkheim – Kornwestheim soll auf einen Stundentakt ausgeweitet werden.
- Elektrifizierung der Kleinen Teckbahn und Anpassungen in Kirchheim (T): Geplant ist, S-Bahnen in Kirchheim (T) zu teilen – ein Zugteil soll nach Weilheim, der andere nach Oberlenningen fahren. Dafür ist eine Elektrifizierung Richtung Oberlenningen nötig. Die drei Ausbaustufen sind einzeln förderfähig und können flexibel umgesetzt werden. Die Elektrifizierung der Kleinen Teckbahn und Anpassungen in Kirchheim (T) sollen kurzfristig und ohne kommunale Mitfinanzierung realisiert werden, da sie der Stabilisierung der S1 dienen. Die Projekte „S1-Weilheim“ und „Taktverdichtung Oberlenningen“ sind derzeit noch nicht umsetzbar, da Betriebsqualität, Stellwerksentscheidungen und kommunale Finanzierung noch offen sind. Der Verband Region Stuttgart und der Landkreis Esslingen arbeiten hierzu an Lösungen. Zudem wird die dritte Ausbaustufe des Digitalen Knotens Stuttgart (DKS3) benötigt, da sonst nicht ausreichend Kapazitäten auf der Stammstrecke vorhanden sind.
Auf Antrag von CDU/ÖDP, Grünen, Freien Wählern und SPD wurde die Geschäftsstelle beauftragt, in der Leistungsbeschreibung die Grundlage zu schaffen, Ausweitungen auch über die Vertragslaufzeit hinaus zu ermöglichen. Vorhaben wie Weilheim, Geislingen, Schusterbahn, Panoramabahn und Vaihingen (Enz) sollen weiterverfolgt und der Fortschritt zeitnah berichtet werden. Sobald es die Rahmenbedingungen zulassen, soll dem Gremium ein Umsetzungsvorschlag vorgelegt werden. Der Antrag wurde angenommen und beschlossen.
Diese Maßnahmen gelten als erste Stufe einer vorausschauenden Verkehrsplanung bis 2040. Dabei verfolgt der Verband Region Stuttgart konsequent die Linie „Qualität vor Ausbau“ – neue Angebote sollen nur dann eingeführt werden, wenn sie langfristig betrieblich tragfähig und wirtschaftlich sind.
STIMMEN DER FRAKTIONEN
CDU/ÖDP | Elmar Steinbacher beschrieb die Diskussion als „wichtig und spannend“ und sah zwei zentrale Ebenen darin: "Einerseits geht es um die Frage, was wir in den nächsten Jahren beim ÖPNV-Ausbau planen und andererseits, welche Auswirkungen dies auf die Ausschreibung haben wird". Mit Blick auf den Zeithorizont 2040 bemerkte er kritisch: „Da kann man schon ungeduldig werden.“ Steinbacher verwies auf Neuhausen als Beispiel dafür, dass vermeintlich einfache Projekte oft „doch sehr lange Zeiträume benötigen.“ Er machte deutlich: „Der Klimawandel hat wahrscheinlich nicht so viel Zeit wie unsere Planungsvorhaben.“ Trotzdem bekräftigte er, dass man hinter den gefassten Beschlüssen stehe: „Wir wollen diese Projekte zeitnah.“ Allerdings müsse man akzeptieren, dass „man Unmögliches nicht fordern kann“, betonte Steinbacher. Wichtig sei es, „die Tür offen zu halten“, um bei erfolgreicher Realisierung von Projekten flexibel durch Vertragsregelungen nachbestellen zu können. |
Bündnis 90/Die Grünen | Prof. Dr. André Reichel stellte klar, dass „wir heute kein konkretes Infrastrukturprogramm beschließen.“ Vielmehr gehe es darum, der Verwaltung Hinweise zu geben, was in den neuen Vertrag aufgenommen werden solle: „Wir wollen möglichen Bewerbern signalisieren, welches Paket auf sie zukommt.“ Mit Blick auf den Zustand der S-Bahn betonte Reichel die Schwierigkeit, heute schon zu wissen, was 2050 sein werde: „Der neue Vertrag setzt Rahmenbedingungen bis weit in die 2040er Jahre. Wir sollten uns ambitionierte Ziele für die S-Bahn 2040 zu setzen, ohne dabei zu defensiv zu sein.“ Gleichzeitig warnte er davor, einzelne Maßnahmen übereilt gegenüber anderen zu priorisieren. Reichel verwies auf das Beispiel Neuhausen und die üblichen langen Zeiträume für Ausbaumaßnahmen und warnte vor zu hohen Erwartungen. Der heutige Beschluss sei ein guter Auftakt, bei dem später „nachjustiert werden könne“. |
Freie Wähler | Frank Buß erklärte: „Der Beschlussvorschlag wirkt wie eine Vorwegnahme von Grundsatzbeschlüssen und Priorisierungen, womit wir uns schwertun.“ Er äußerte Zweifel, ob es klug sei, Entscheidungen jetzt zu treffen, da „noch einige Rahmenbedingungen fehlen“ und man nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen sollte. Buß betonte die Laufzeit als entscheidend: „Wir gehen von einer deutlich längeren Laufzeit aus als von der Verwaltung vorgeschlagen, da wir Wettbewerb und Betriebssicherheit wollen, was bei längeren Laufzeiten gegeben ist.“ Offene Fragen müssten noch geklärt werden, insbesondere zum Umgang mit Projekten zwischen 2040 und 2050. „Wir wollen deutlich vor 2050 in Weilheim sein“, betonte Buß und forderte von der Verwaltung, klar aufzuzeigen, wie diese Themen im Vertrag behandelt werden sollen. |
AfD | Thomas Rosspacher lobte die Vorlage als „sachlich fundierte Grundlage mit Fokus auf der Realisierbarkeit bis 2040“. Er begrüßte, dass nicht ein Maximal-Ausbau, sondern „sinnvolle Maßnahmen“ im Mittelpunkt stehen. Besonders für den motorisierten Individualverkehr biete das klare Vorteile: „Wenn die S-Bahn ins Filstal und Nürtingen funktioniert, dann entlastet das die Straßen.“ Er betonte, vieles hänge von den Partnern ab, und plädierte für einen „realistischen und priorisierten Weg im Vertrag, ohne sich in Komplexität zu verlieren." |
SPD | „Das Problem ist, dass vieles lange dauert und teurer wird“, betonte Thomas Leipnitz und stellte die Frage, welche Maßnahmen realistisch in den Vertrag aufgenommen werden können. Mit Blick auf Neuhausen merkte er an: „Hätte man uns vor 15 Jahren gefragt, hätten wir gedacht, wir fahren da längst – aber auch hier erleben wir Verzögerungen.“ |
FDP | Gabriele Heise stellte klar: „Der Vertrag schließt spätere Ergänzungen nicht aus und es muss nicht heißen, dass 2040 das Ende ist." Sie betonte die Notwendigkeit einer klaren Linie in der Ausschreibung: „Wir wollen Wettbewerb, aber den bekommen wir nur, wenn wir unsere Vorstellungen klar definieren.“ Gleichzeitig appellierte sie, die Ausschreibung nicht zu sehr aufzuweichen, da sonst Probleme bei der Vergabe entstehen könnten, wenn Leistungen unklar bleiben. |