Der Verband Region Stuttgart hat eine Änderung der im Regionalplan ausgewiesenen Gebiete zur Sicherung und zum Abbau von oberflächennahen Rohstoffen geprüft – mit dem Fazit, dass die Erweiterungen der Vorranggebiete zum Rohstoffabbau in Rielingshausen und Markgröningen aus raumordnerischer Sicht im Regionalplan ausgewiesen werden sollen.
Für diese Abbaugebiete hat die Regionalversammlung am Mittwoch nach eingehender Abwägung der in den Stellungnahmen im Rahmen des Beteiligungsverfahrens von Gemeinden, Fachbehörden und der Bevölkerung vorgebrachten Anregungen und Bedenken beschlossen, den Regionalplan entsprechend zu ändern. Für den Standort Weissach hat die Regionalversammlung dafür votiert, ein Sicherungsgebiet zu streichen und stattdessen der Freiraumentwicklung Vorrang einzuräumen. Die Änderung des Regionalplans wird nun dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen zur Genehmigung vorgelegt. Die Ausweisungen als Vorranggebiet bedeuten nicht, dass der Rohstoffabbau tatsächlich erfolgen kann. Dieser bedarf eines eigenständigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens.
Im Rahmen des Regionalplanänderungsverfahrens wurde der Entwurf zur Änderung des Regionalplanes zusammen mit einem umfassenden Umweltbericht offengelegt. Zudem wurden die Inhalte in öffentlichen Veranstaltungen in Rielingshausen sowie dem Schönbühlhof erläutert. Dabei hatten sowohl die Gemeinden und Träger öffentlicher Belange die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, als auch Bürgerinnen und Bürger. Im aktuellen Planänderungsverfahren sind von den rund 147 beteiligten Stellen insgesamt 35 Stellungnahmen mit 360 einzelnen Hinweisen, Anregungen oder Bedenken eingegangen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung wurden 107 Stellungnahmen mit rund 640 Einzelaussagen abgegeben.
Hintergrund: Rohstoffvorkommen und -abbau in der Region Stuttgart
Die Region Stuttgart verfügt über verschiedene Vorkommen mineralischer Rohstoffe. Es handelt sich dabei um Muschelkalk, der für die Produktion von Schotter, Kies und Sand oder – seltener – als Naturwerkstein verwendet wird, Ziegeleirohstoffe, hier vor allem Ton, sowie Sande. Gemäß dem Landesentwicklungsplan (LEP) ist der Verband Region Stuttgart für die Sicherung abbauwürdiger Rohstoffvorkommen auf seinem Gebiet zuständig. Regional bedeutsame Abbaustätten und gegebenenfalls abbaufähige Reserven sind im Regionalplan als Bereiche zum Abbau oder zur Rohstoffsicherung festgeschrieben und dürfen nicht dauerhaft bebaut werden. Antragsverfahren zur Erweiterung bestehender Abbaustellen oder zur Anlage neuer Abbaustellen können somit nur zugelassen werden, wenn die betreffenden Flächen im Regionalplan als Vorranggebiete ausgewiesen sind. Bereits aktive Abbaustandorte sollen erst vollständig abgebaut werden, bevor neue Vorkommen erschlossen werden. Mit der letzten Regionalplanfortschreibung 2009 sind 31 Gebiete für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe mit 420 Hektar und 30 Gebiete mit 430 Hektar für deren Sicherung festgelegt worden. Davon sind 21 Abbaustätten derzeit aktiv, während durch den fortschreitenden Abbau der letzten Jahre die Gesamtfläche um 20 Prozent zurückgegangen ist. Da sich zwischenzeitlich auch Siedlungen ausgeweitet haben und teilweise Schutzgebiete die Vorkommen überlagern, ist von einer zusätzlichen Verringerung abbaufähiger Vorkommen auszugehen. Jede aktive Gewinnungsstätte – wie auch Marbach-Rielingshausen – spielt eine wichtige Rolle für die Rohstoffversorgung vor Ort und sorgt dafür, dass aufwändige und emissionsreiche Rohstofftransporte von außerhalb der Region geringer gehalten werden.
Stimmen der Fraktionen
„Wir haben eine rein regionalplanerische Entscheidung vorzunehmen, ob eine Erweiterung des Abbaugebiets möglich ist oder nicht“, konstatierte Roland Schmid (CDU/ÖDP). Er verwehrte sich gegen die „Vermutung, dass der Ausgang des Änderungsverfahrens von vorneherein festgestanden habe“. Zum Zeitpunkt vor der Sammlung und Aufbereitung der dazugehörigen Informationen und dem Beteiligungsprozess könne ein Verfahren nur ergebnisoffen sein. „Nach einer umfassenden Beratung in der Fraktion sind wir mehrheitlich zum Ergebnis gekommen, dass eine maßvolle Erweiterung des bestehenden Abbaugebiets unserem regionalplanerischen Auftrag entspricht, eine verbrauchsnahe Versorgung mit mineralischen Rohstoffen sicherzustellen und zu ermöglichen.“ Die Änderung erfolge nicht, weil das Unternehmen es wünsche, sondern weil die wirtschaftliche Tätigkeit des Rohstoffabbaus einem öffentlichen Interesse dient. Für die Erweiterung des Standorts Rielingshausen spreche außerdem die Verbrauchsnähe, wenn 99 Prozent der dort gewonnenen Rohstoffe im Umkreis von 32 Kilometern ausgeliefert werde. Die Rohstoffgewinnung könne angesichts von heute nur 10 Prozent Deckung des Bedarfs nicht mit Recyclingmaterial ersetzt werden.
„Als GRÜNE fühlen wir uns verpflichtet, in der Abwägung besonders intensiv nachzubohren, aufgestellte Bedürfnisse zu hinterfragen und im Zweifel für die Intaktheit unseres Planeten zu stimmen“, erklärte Leo Buchholz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Entscheidung über die Festlegung des Vorranggebietes mache einen Abbau möglich, der weit in der Zukunft liegen könne und angesichts „multipler Krisen aus der Zeit gefallen“ scheine. „Es kann nicht mehr lange dauern, bis unsere Bauwirtschaft klimaneutral gestaltet sein wird. Und auch unser Flächenverbrauch braucht in naher Zukunft einen Deckel.“ Als Regionalversammlung sei man jedoch nur ein Perlenglied von vielen in einer Reihe von Entscheidungen. Es sei nicht Aufgabe des Gremiums, über Abbauziele und Bedarfe zu diskutieren. Seine Fraktion stimmte der Regionalplanänderung zu – dies bilde aber nicht seine „Zerrissenheit, Verständnis für die Anwohnerinnen und Anwohner vor Ort und das Wissen um die allzu notwendige Transformation ab“. Buchholz folgerte: „Eine Rohstoffpolitik, die das Recycling weiter ausbaut, den Primärbedarf und Gesamtbedarf verringert, brauche eine politische Strategie auf allen politischen Ebenen.“
Wilfried Dölker (Freie Wähler) lobte die gründliche und gewissenhafte Aufarbeitung der vielen Stellungnahmen durch die Geschäftsstelle des Verbands. Seine Fraktion bewerte die Regionalplanänderung „aus Sicht der Regionalplanung als angemessen“. Die unterschiedlichen Belange und Interessen bei solchen Planungen seien zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Er kritisierte jedoch die „aufgeblähte Bürokratie“ für eine „eigentlich nur kleine Änderung des Regionalplans“. „Die Bedenken der Menschen in Rielingshausen und Markgröningen sind mit Blick auf ihre direkte Betroffenheit nachvollziehbar und verständlich“, betonte Dölker. Diese Betroffenheit genau zu prüfen und zu regeln, unter welchen Bedingungen der Gesteinsabbau tatsächlich möglich ist, sei jedoch Gegenstand anderer Genehmigungsverfahren. Im Übrigen habe Marbach als Grundstückseigentümerin eines Teils der Flächen auch privatrechtliche Handhabe.
Regina Traub (SPD) stellte fest, dass „wir nicht beiden Interessensseiten gerecht werden können“. Sie verwies auf die rechtlichen Vorgaben aus dem Landschaftsplanungsgesetz und dem Landesentwicklungsplan, wonach ausgewiesene Flächen zum Rohstoffabbau vollständig abgebaut werden müssten und auf eine dezentrale Versorgung und somit kurze Transportwege hingewirkt werden müsse. Aus regionalplanerischer Sicht müsse der Bedarf an Baumaterialien und Rohstoffen gedeckt werden. Auf der anderen Seite stünden erhebliche Eingriffe in den Naturhaushalt, hochwertige landwirtschaftliche Flächen und das gesamte Ökosystem. Dazu kämen Staub, Lärm, Erschütterungen. Hier sei der Betreiber in der Verantwortung, möglichst umweltschonende Techniken einzusetzen. „Eine Ablehnung der Erweiterung würde keine Reduzierung des Rohstoffbedarfs hervorrufen. Es muss sich das gesellschaftliche Denken verändern“, schloss Traub.
„Meine Fraktion wertet die Abwägung für alle drei Standortänderungen als überaus korrekt“, sagte Joachim Hülscher (AfD/FR). Aus seiner Sicht wurde in Marbach-Rielingshausen „gegen die Erweiterungsüberlegungen Stimmung gemacht von vermeintlich in ihren Rechten betroffenen Bürgern, aus Teilen der Politszene und von diversen Contra-Eingestellten“. Einwände, darunter die Behauptung, man benötige kein „frisches“ Steinbruchmaterial, alles wäre mit Recyclingmaterial zu bauen, sei schlichtweg falsch. Außerdem wäre „der Abstand von Wohngebieten zu möglichen Abbaupunkten überall eingehalten“.
„Die zulässige Ausweisung als Vorranggebiet stellt keine Zulassung des Abbaus dar“, zitierte Kai Buschmann (FDP) die Beschlussvorlage mit Blick auf Rielingshausen. Damit wolle er festhalten, so Buschmann, dass es eine saubere Trennung von regionalplanerischer Ebene und konkretem Genehmigungsverfahren gibt. Eine Trennung, die die Bürgerinitiative vor Ort „bewusst verwischt“ hätte. Der Regionalplan sei jedoch dazu da, „alle Interessen zu berücksichtigen und einen Ausgleich zu schaffen.“ Neben den lokalen Interessen seien dies regionale Interessen, konkret Baumaterialtransport auf kurzen Wegen, und global die Reduzierung von CO2.
„Bauen wir Zukunft? Oder verbauen wir rücksichtslos die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen?“ Dies sei laut Christoph Ozasek (DIE LINKE/PIRAT) die eigentliche Abwägung, die getroffen werden müsse. Jährlich 100 Mio. Tonnen an Steinen und Erden verschlinge die Baubranche allein in Baden-Württemberg. Aber niemand recycle ohne Anreize, wenn Primärrohstoffe immer verfügbar seien und billig gehalten würden. Und, „weil die Umweltfolgekosten, die Kosten für das Klima, nicht eingepreist sind.“ Im geltenden Regionalplan sei bereits ein Förderhorizont bis 2049 für Rohstoffe verankert. Somit seien alle Vorgaben des Gesetzgebers im Landesentwicklungsplan bereits erfüllt.