Neuer Bahnhof bedeutet neue Organisation der Zulaufstrecken: Insbesondere muss die neue S-Bahnhaltestelle Mittnachtstraße, die Teil der Stammstrecke sein wird, in den Fahrplan integriert werden. Im Verkehrsausschuss am Mittwoch wurde das neue Liniennetz ab Dezember 2025 zur Inbetriebnahme von S 21 samt der voraussichtlichen Auswirkungen auf die einzelnen S-Bahnlinien vorgestellt und diskutiert.
An der „Mittnachtstraße“ verzweigen sich künftig die Linien und fahren weiter auf die neuen Anschlussstrecken in Richtung Nordbahnhof und Bad Cannstatt. Der zusätzliche Halt hat einen Zeitbedarf von etwa zwei Minuten pro Fahrt – eine nicht zu unterschätzende Größe in einem komplexen Liniennetz, da die zwei Minuten nicht beliebig innerhalb einer Linie „weitergeschoben“ werden können. Denn auf den meisten Linienästen gibt es sogenannte „Zwangspunkte“, nach denen sich der Fahrplan ausrichten muss. Zudem besteht eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Fahrplänen aller Linien durch die gemeinsame Nutzung der Stammstrecke. Entsprechend ist es notwendig, die Reihenfolge auf dieser voll ausgelasteten Strecke aufeinander abzustimmen. Neben eingleisigen Streckenabschnitten schränken auch Regional- und Fernverkehrszüge die Flexibilität in der Fahrplanung auf den Strecken ein, die auch künftig im Mischverkehr betrieben werden. Dies betrifft beispielsweise die Rems- und Murrbahn (S2 / S3) oder die Gäubahn (S1).
Unter Berücksichtigung der zahlreichen Randbedingungen und in Abstimmung mit den Partnern wurde ein Fahrplankonzept für den Zeitraum nach der Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofs entwickelt, wobei die Inbetriebnahme in Stufen erfolgt und es daher auch noch mehrere Zwischenzustände geben wird.
Dichter Takt an der Mittnachtstraße
Für den vorgesehenen Haltestellen-Fahrplan Mittnachtstraße nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 gelten dieselben Standards wie auf der bisherigen Stammstrecke, das heißt, jede Linie legt hier einen Stopp ein. Der konsequente 15-Minuten-Takt bleibt auf allen Linien bestehen und wird schon frühzeitig bis Wendlingen ausgeweitet. Es ist möglich, die S62 bis Feuerbach mit allen vorhandenen Zwischenhalten zu verlängern. Weitere Angebotsausweitungen sind bereits mitgedacht und können, sobald die infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllt sind, in den Betrieb integriert werden. Ob ein 10-Minuten-Takt perspektivisch eingeführt werden kann, ist Gegenstand einer Studie, die der Verkehrsausschuss im Mai 2022 bei der DB Netz AG in Auftrag gegeben hat.
Stimmen aus den Fraktionen
Rainer Ganske (CDU/ÖDP) lobte, dass die vom Verband definierten Eckpunkte eingehalten würden. Er nannte insbesondere den Anspruch, dass kein Linientausch stattfindet. „Wenn man die Details betrachtet, verändert sich mit S 21 ganz schön viel. Die Verbesserungen sind wichtig, um den Deutschlandtakt einzubinden.“ Immer noch „hässlich“ sei die Taktlücke auf der S1, so dass Hulb mit den vielen Arbeitsplätzen gar nicht angeschlossen werden könne. „ETCS ist die Voraussetzung, um diesen Fahrplan samt Qualitätspuffer fahren zu können. Dies ist der erste Schritt. Er geht in Richtung Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Perspektivisch muss es Richtung 10-Minuten-Takt gehen.“ Dafür seien noch viel weitere, heute noch gar nicht beschlossene Maßnahmen nötig.
„Wir hoffen, dass es nach den Maßnahmen besser wird als vorher“, erklärte Philipp Buchholz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Als positive Elemente nannte er die verbesserten Umstiege auf die Murrbahn. Dies sei lange Wunsch seiner Fraktion gewesen. Bei der S60 sei es erfreulich, dass es in Richtung Innenstadt eine bessere Lösung als die bisherige gebe. Buchholz kritisierte, dass „in jedem Jahr bei jeder Linie immer nochmal eine Minute dazu kommt.“ Immer wieder gebe es lange Wartezeiten an den Stationen, von Ende zu Ende sei die Fahrzeit der S-Bahnlinien sehr lang. In den Ausführungen vermisse er die S5 nach Mühlacker. Außerdem hätte seine Fraktion auf eine andere Lösung zum Flughafen gehofft. Auf Dauer müsse es eine einheitliche Lösung mit einer Linie und einem einheitlichen Takt geben.
Bernhard Maier (Freie Wähler) stellte fest: „Auf den ersten Blick hat S 21 mit S-Bahn nichts zu tun. Insbesondere im Bereich der Entflechtung der unterschiedlichen Verkehre wird aber der Nutzen deutlich.“ Dies sei ein sehr positiver Ansatz in Bezug auf die Störanfälligkeit der S-Bahn. Die Fahrzeit aus dem Norden in die Innenstadt sei länger, aber die Mittnachtstraße bringe dafür für viele andere Fahrgäste viele Verbesserungen. Ein Punkt erschrecke seine Fraktion jedoch: der längere Umstieg von der S6 auf die S60 in Renningen. Es sei nicht akzeptabel, dass die Verbindung von Böblingen nach Weil der Stadt unattraktiv werde.
Thomas Leipnitz (SPD) betonte: „Eine Lösung mit den Prämissen des 15-Minuten-Takts und ohne Linientausch zu erarbeiten, war nicht trivial.“ Dass der 15-Minuten-Takt bis Wendlingen rasch umgesetzt werde, sei gut. „Hier wirkt S 21“, so Leipnitz. Es sei ein Wermutstropfen, dass die Verlängerung zum Flughafen nicht durchgängig sei. Auch klinge die Verlängerung der Fahrzeit zwischen Waiblingen und Cannstatt zwar erst einmal nicht nach so viel. Aber die Situation auf der Remsbahn insgesamt solle ein Ansporn sein, über ein drittes Gleis nachzudenken. Zudem sei es wichtig, „so schnell wie möglich mit den übrigen Aufgabenträgern zu sprechen und zu einem konkreten Fahrplan zu kommen.“
Joachim Hülscher (AfD/FR) fand es positiv, dass kein Linientausch stattfinden müsse und für die Menschen das Gewohnte bliebe. Auch die Taktverbesserung in Richtung Deutschlandtakt sei zu begrüßen. Der zweiminütige Zeitverzug im Zusammenhang mit der Mittnachtstraße werde durch viele Vorteile aufgewogen.
Laut Armin Serwani (FDP) bringt die Mittnachtstraße wesentliche Vorteile für die Leute aus Richtung Norden, die dann nicht mehr in den Hauptbahnhof herunterfahren müssen. Die eigene Strecke sorge für mehr Stabilität. „Vermutlich kommen wir später nicht zu einem 10-Minuten-Takt, aber vielleicht zu einem 12-Minuten-Takt“, so Serwani. „Der einzige Wermutstropfen ist, dass wir die S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen erst 2027 feiern.“
„Was ETCS leistet, werden wir erst sehen, wenn S 21 in Betrieb geht“, sagte Michael Knödler (DIE LINKE/PIRAT). Seine Fraktion sehe die Untersuchung der Schusterbahn sehr positiv, aber man wolle nicht nochmal drei Jahre warten. „Dass sich der Fahrplan nach S 21 ändert, ist klar, aber einen verbesserten Betrieb der Schusterbahn kann man schon einmal einrichten.“ Vielleicht lasse sich auch prüfen, ob die Hessebahn öfter fahren könne.
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