Groß genug, gut gelegen und auch für Industriebetriebe zu nutzen – das zeichnet die vier neuen regionalen Gewerbestandorte im Norden der Region Stuttgart aus. Die Regionalversammlung hat heute mit Stimmen von CDU, SPD, Freien Wählern, FDP, Innovative Politik und AfD beschlossen, die Standorte Ingersheim (ca. 15 Hektar), Schwieberdingen (ca. 23 Hektar), Korntal-Münchingen (ca. 19 Hektar) und Bietigheim-Bissingen (ca. 17 Hektar) in den Regionalplan aufzunehmen. Dagegen sprachen sich Grüne und Linke aus. Die Planänderung wird wirksam mit der Genehmigung des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur.
„Gebaut werden kann dort allerdings nicht sofort“, machte Planungsdirektor Thomas Kiwitt deutlich. „Flächenentwicklung ist ein komplexes Geschäft“. Viele Verwaltungsebenen seien gefragt, Bund und Land für Straßenanbindungen sowie die Kommunen, um die baurechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Die nun insgesamt 75 Hektar an neuen Gewerbegebieten sind Ersatzflächen in der Größenordnung des bisherigen Gewerbestandorts Pleidelsheim/Murr. Dieser stand zwar im Regionalplan, wurde von der Gemeinde aber nie bauleitplanerisch umgesetzt. Nun wird der Standort in Pleidelsheim als Regionaler Grünzug ausgewiesen und damit vor Bebauung geschützt. Thomas Kiwitt stellte bei Gemeinden im Laufe des Änderungsverfahrens eine Zurückhaltung fest, geeignete Flächen für Gewerbegebiete auszuweisen. „Arbeitsplätze und Gewerbesteuer wiegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Beeinträchtigungen offensichtlich nicht mehr auf“, so Kiwitt.
Gerade für die industriell geprägte Region Stuttgart seien Gewerbeflächen nach wie vor wichtig. Der Bedarf sei von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) ermittelt worden. Mit den vier neuen Standorten gelinge eine „Angebotsplanung“. Das heißt, losgelöst von konkreten Interessenten, würden gut geeignete Flächen langfristig gesichert, die bei Bedarf bebaut werden könnten. Thomas Kiwitt wörtlich: „Kurzfristige Ad-hoc-Entscheidungen können kein Prinzip für Verdichtungsräume sein.“ Auf die weitsichtige Planung, die Berücksichtigung von Freiraumschutz und Verkehrsbelangen sowie der Umsetzungsbereitschaft vor Ort gingen auch die Regionalpolitiker in ihren Beiträgen ein.
Jürgen Lenz (CDU) unterstrich: „Die Region macht keine Phantomplanung, sie muss sich der Herausforderung stellen. Wir brauchen diese Flächen“, sagte er. Industrieflächen seien eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Die Zurückhaltung der Kommunen müsse aufgegeben werden, appellierte Lenz. Die Stadt Korntal-Münchingen forderte er auf, ihre Ablehnung gegenüber Industrie- und Logistikansiedlungen zu überdenken.
Dorothee Kraus-Prause (Grüne) kritisierte die Flächenausweisung. Sie hinterfragte den tatsächlichen Bedarf: „Wir sind überzeugt, dass in vielen Fällen der konkrete Bedarf – neu oder im Bestand – in differenzierten Abstimmungsgesprächen mit vorhandenen Gewerbeflächen kompatibel gemacht werden kann.“ Gegen die Ausweisung sprächen auch ökologische Gründe, wie die Qualität der hochwertigen Böden.
„Vor der Klammer muss stehen, dass die Region Stuttgart ein Industriestandort ist“, sagte Matthias Hahn (SPD). Weder entlang des Neckars noch an Bahnlinien gebe es derzeit große Industrieflächen. Deshalb sei es richtig, die vier Standorte auszuweisen. Die Flächenbilanz im Nordwesten der Region verändere sich durch die Neuausweisung nicht.
Das unterstrich auch Wilfried Dölker (Freie Wähler). Seine Fraktion „begrüßt es, wenn jetzt die engen Vorgaben des Regionalplans bedarfsgerecht angepasst werden.“ Es sei immer „sehr erfreulich“, wenn sich die Wirtschaft positiv entwickle. „Das zu fördern und zu unterstützen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Region.“
„Während in der Region weiterhin Schienenanschlüsse entwidmet werden, werden gleichzeitig Gewerbegebiete ausgewiesen, die weitab von Schienenanschlüsse entstehen“, kritisierte Friedhelm Hoffmann (Linke). Die Folge seien noch mehr Verkehr und Flächenfraß.
Kai Buschmann (FDP) nannte die Initiative des Verbands Region Stuttgart und der WRS „überfällig“. „Wir müssen handeln, damit wir auch weiter die Basis für unsere wirtschaftliche Erfolgsentwicklung garantieren können.“
Die Wirtschaft liefere die Grundlagen des Wohlstands, erinnerte Ulrich Deuschle (Innovative Politik).
Der Verband Region Stuttgart… hatte das Verfahren zur Änderung des Regionalplans im Juli 2012 begonnen. Im Laufe der Zeit kamen Standorte in Mundelsheim und Großbottwar ins Spiel, die nach intensiven Abstimmungen mit Kommunen und Landkreis nicht weiterverfolgt wurden. Mit der Änderung seines Regionalplans strebt der Verband Region Stuttgart eine Vorsorgeplanung für größere, industrielle Neuansiedlungen oder Verlagerungen von Firmen an, die mit einer Größe von je vier bis fünf Hektar nicht in Baulücken passen.
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