92 Anträge stellten die Fraktionen und Gruppen der Regionalversammlung zu den Haushaltsberatungen 2019 des Verbands Region Stuttgart. Der Budgetentwurf, den Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling Ende September eingebracht hatte, hat ein Gesamtvolumen von rund 348 Millionen Euro.
In den Anträgen der Fraktionen und Gruppen finden sich das gesamte Arbeitsgebiet des Verbands Region Stuttgart wieder. Besonderen Fokus legten sie auf einen attraktiven ÖPNV, gerade im Hinblick auf drohende Fahrverbote. Dazu gehören weitere Ausbauprojekte für die S-Bahn, insbesondere von den Fildern ins Neckartal, Taktverdichtungen, aber auch auf die Einführung der neuen Signaltechnik ETCS für eine kürzere Zugfolge sowie die Anschaffung zusätzlicher S-Bahn-Züge. Zudem geht es in den Anträgen um die Entwicklung weiterer Flächen für Wohnen und Gewerbe. Auch wirtschaftsnahe Themen wie der Facharbeitermangel, Qualifizierung oder die Unterstützung von Startups sowie kleinen und mittleren Unternehmen liegen den Mitgliedern der Regionalversammlung am Herzen. Weitere Schwerpunkte waren Themen zum bedarfsgerechten Wohnraum und mit Europa-Bezug.
Die CDU möchte mit ETCS perspektivisch einen 10-Minutentakt bei der S-Bahn einführen. Auch zusätzliche Siedlungspotenziale im Wohnungsbau entlang der neueren S-Bahn-Achsen sollen in den Blick genommen werden. Ein regionales Rahmenprogramm für Sport und Kultur bei der Remstal Gartenschau 2019 steht auf ihrer Agenda ebenso wie eine Fortsetzung von großen Radrennen in der Region. Bündnis 90/Grüne sieht Handlungsbedarf beim flächensparenden Gewerbebau. Sie verlangen zudem, das regionale Expressbusangebot zu verbessern und Fahrradstellplätze auf P+R-Plätzen einzurichten. Die SPD möchte Gewerbe- und Industrieerweiterungen in die Vertikale in den Blick nehmen sowie Handlungsoptionen für ein Mindestangebot an bezahlbarem Wohnraum. Für ein Sozialticket im VVS sprechen sich SPD, die Linke und AfD aus. Die Freien Wähler haben die Verkehrsbeziehungen zwischen Stuttgart und Umland im Blick: Sie wollen die Verkehrsströme in der Region und die Auswirkungen von Fahrverboten in Stuttgart untersuchen lassen. Bezüglich der Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart fordern sie unter anderem eine Berücksichtigung von kommunalen Projekten „in der Fläche“. Die Linke drängt auf durchgehende Nacht-S-Bahnen in der Region und befürworten eine Weiterentwicklung der Regionalen Energie- und Klimaschutzstrategie. Die FDP sieht bei ÖPNV-Maßnahmen, die der Luftreinhaltung dienen, finanziell vor allem das Land in der Pflicht. Die Gruppen AfD wie auch Innovative Politik möchten die Künstliche Intelligenz in der Region Stuttgart voranbringen. Die Innovative Politik wünscht sich zudem Berichte über die wirtschaftliche Lage in der Region.
CDU: Mangelnde Mobilität als Standortrisiko
Rainer Ganske (CDU) verdeutlichte, dass die rund 90 Prozent der Haushaltsausgabe für den Verkehrsbereich in der Diskussion um die Stau- und Feinstaubthematik dringend nötig seien. „Eine fehlende oder gestörte Mobilität ist das Standortrisiko Nummer eins für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze“. Die S-Bahn müsse nicht nur in der Pünktlichkeit besser werden, als „Sofortmaßnahme“ fordert er darüber hinaus verbesserte Fahrgastinformationen in den Zügen. Auch der Viertelstundentakt in der Hauptverkehrszeit und bei den Tangentialverbindungen sei anzugehen. „Die Stammstrecke ist heute an der Kapazitätsgrenze angelangt“, so Ganske. Es müsse gemeinsames Ziel sein, „der S-Bahn als Rückgrat des ÖPNV eine Fitnesskur zu verordnen“. Mit ETCS sowie autonomen Fahrfunktionen ergäben sich weitere Kapazitäten. Für die Verbesserungen bei der S-Bahn benötige man bis zu 60 Fahrzeuge. „Das können wir nicht alleine schultern. Land und Bund sind gleichsam gefordert.“ Park and Ride sei gerade für Anwohner der „Hinterliegergemeinden“ ein „wesentlicher Teil der Mobilitätskette“. Als weitere Kernfrage der Prosperität für die Region bezeichnet er ein ausreichendes und bezahlbares Wohnangebot. Eine große Chance für die Region seien zudem der Breitbandausbau und die Internationale Bauausstellung.
Grüne: Kurs bei Schonung von Flächen und ÖPNV-Ausbau halten
Michael Lateier (Grüne) erklärte: „Es gilt, den Kurs der ressourcenschonenden Planung und der nachhaltigen Mobilität beizubehalten.“ Die Region müsse eine Antwort darauf geben, wie „wir zukünftig leben, wohnen und arbeiten wollen“, vor allem beim Umgang mit Flächen, der nachhaltigen Energieversorgung und der Mobilität. Flächenreserven für Wohnungsbau und Gewerbe seien ausreichend im Regionalplan vorgesehen, es fehle an kompakt gebauten Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment. Mit dem Ziel eines flächensparenden Gewerbebaus plädierte Lateier für die Förderung von Modellprojekten. „Beim Klimaschutz ist das Problem der Verkehr“, so Lateier. Der „größte Strukturwandel seit dem zweiten Weltkrieg“ müsse Alternativen zum Auto bieten. Tangentialverbindungen sollten gestärkt werden, zum Beispiel mit der Ausweitung des Expressbus-Angebots sowie der Planung einer Schienenverbindung Filder-Neckartal. Darüber hinaus forderte er: „Der Ausbau von ETCS muss für den Verband kostenfrei erfolgen.“ Er erwarte hier das Engagement von Bund und Bahn.
SPD: Mobilität und Wohnraumangebot sozial gestalten
Harald Raß (SPD) betonte: „Bei den Herausforderungen der nächsten Jahre geht es vor allem um Qualität und Kapazität beim S-Bahn-Verkehr.“ Für zusätzliche Verbesserungen, auch mit ETCS, seien weitere Fahrzeugbeschaffungen unumgänglich. „Angesichts der Dieselfahrverbote wird die Bedeutung des ÖPNV deutlich“, führte Raß fort. „Fahrverbote als gefühlte partielle Enteignung erfordern ein gutes ÖPNV-Angebot, Mobilität wird wieder zur sozialen Frage.“ Auch ausreichender und bezahlbarer Wohnraum sei „dringend notwendig“. Man müsse die Anstrengungen verstärken, damit Städte und Gemeinden Flächen für Wohnen und Gewerbe ausweisen, jedoch „nur dort, wo ein anerkannter Bedarf besteht und eine hohe Verdichtung sichergestellt werden kann“. Auch bezüglich neuer Gewerbeflächen müsse die Region Stuttgart Fortschritte machen – als Innovationsregion und mit den Herausforderungen des wirtschaftlichen Strukturwandels. Raß sieht die europäische Idee als Beitrag zur Sicherung von Frieden und Arbeitsplätzen. Daher bittet er, „die Öffentlichkeitsarbeit in europäischen Angelegenheiten zu verstärken.“
Freie Wähler: ÖPNV und Flächenaktivierung als Schlüssel zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts
„An den Zukunftsthemen, vor allem wie mehr Gewerbe- und Wohnbauflächen zu Verfügung gestellt werden können und wie der ÖPNV leistungsfähig bleibt, wird sich entscheiden, wie es mit der Region weitergeht“, sagte Andreas Hesky (Freie Wähler). Die Transformation der Wirtschaft erfordere zusätzliche Flächen, etwa für Industrie 4.0 und die Umstellung auf elektrisches Fahren. Dazu meint er: „Bisher konnte sich die Arbeit des Verbands Region Stuttgart vor allem auf Verbots- und Angebotsplanungen beschränken, doch zukünftig wird es darauf ankommen, dialogorientiert und in partizipativen Prozessen zu arbeiten.“ Für die Kapazitätserweiterungen der S-Bahn sei es „fünf vor zwölf“. Es sei wohl bereits allen klar, dass in kürzester Zeit riesige Investitionen für neue S-Bahn-Züge anstünden. Doch im Haushalt sei hier „Fehlanzeige.“ Das in der Reserve geparkte Geld reiche nicht aus und ohne Mittel von Bund und Land sei das nicht zu stemmen. Der Eigenanteil an den Kosten müsse den Landkreisen und Kommunen, die das letztlich bezahlen würden, aufgezeigt werden.
Linke: Klimaschutz fördern, Wachstumsgrenzen setzen
Christoph Ozasek (Linke) forderte, regionale Leuchtturmprojekte für den Klimaschutz und ressourcenleichte Lebensstile zu etablieren, beispielsweise eine Allianz für Klimaschutz, eine regionale Mobilitätsoffensive für den Fahrradverkehr, die Entwicklung eines Wärmeatlas als Planungsinstrument sowie der Ausbau von „polygo“ zur multimodalen Mobilitätsplattform. Er kritisierte, dass das Wort ‚Klimaschutz‘ im Haushaltsplanentwurf 2019 nicht vorkommt. Für die Region müsse es „absolute Wachstumsgrenzen“ geben. Mobilität müsse für alle Menschen in der Region gesichert und das ÖPNV-Angebot auf die veränderte Arbeits- und Lebenswelt ausgerichtet werden.
FDP: Luftreinhaltung Landessache
„Der Haushalt hat ein paar Pferdefüße und der Teufel steckt im Detail“, meinte Kai Buschmann (FDP). Bei der Finanzierung von Verkehrsleistungen, die der Luftreinhaltung dienen, beispielsweise auch ETCS, sieht er das Land in der Pflicht. Diese Leistungen für den ÖPNV dürften finanziell nicht zu Lasten der Kommunen gehen. „Es ist Sache des Landes, für ausreichende Transportkapazitäten zu sorgen.“ Des Weiteren forderte er, die Möglichkeiten einer zweiten Stammstrecke zu untersuchen. Auch habe seine Fraktion das Ziel, „den Menschen die Region und die Leistungen der Regionalversammlung näher zu bringen“.
AfD: Zukunftsinvestitionen anstoßen
Stephan Schwarz (AfD) kritisierte die Erhöhung der Verbandsumlage, begrüßte aber auch, dass „mit der Interkommunalen Gartenschau, dem Breitbandausbau und den weiteren Planungen zur IBA 2027 Investitionen und Innovationen angestoßen werden“. Den Gründern in der Region möchte die AfD „eine Heimat bieten“ und die Willkommenskultur für sie stärken.
Innovative Politik: Innovationsdynamik ankurbeln
Ulrich Deuschle (Republikaner/Innovative Politik) sagte: „Wie in den Vorjahren liegt unser Schwerpunkt bei Innovationen in der Infrastruktur, für den Verkehrs- ebenso wie für den Wirtschaftsbereich.“ Zu prüfen sei etwa die Einstellung der Bürger zum autonomen Fahren oder die Trennung der S-Bahn vom Mischverkehr des übrigen Bahnverkehrs. Von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) sei eine Einschätzung des zukünftigen Fachkräftebedarfs zu treffen.
Der weitere Zeitplan
Die inhaltliche Diskussion über die Anträge findet öffentlich in den Ausschüssen statt: am Mittwoch, 7. November im Planungsausschuss, am Mittwoch, 14. November im Verkehrsausschuss und abschließend am Mittwoch, 21. November im Wirtschaftsausschuss. Der Beschluss über den Haushalt 2019 des Verbands Region Stuttgart soll die Regionalversammlung am Mittwoch, 5. Dezember beschließen.
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