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Verband Region Stuttgart

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Startschuss für die Prüfung zweier neuer regionaler Gewerbeschwerpunkte

Regionalversammlung bringt zwei Regionalplanänderungsverfahren auf den Weg

Die Regionalversammlung hat in ihrer Sitzung am Mittwoch mehrheitlich für die Einleitung zweier Regionalplanänderungsverfahren samt Strategischer Umweltprüfung zur Entwicklung eines Regionalen Gewerbeschwerpunktes gestimmt. Dabei geht es um Gebiete auf der Gemarkung Aichelberg im Bereich der A 8 und der Gemarkung Mundelsheim im Bereich „Benzäcker“. In der Region Stuttgart besteht aktu­ell nur ein sehr eingeschränktes Angebot an gewerblichen Flächen. Zwar sollen zunächst bereits erschlossene, versiegelte Flächen nachgenutzt werden, jedoch sind große Flächen, gerade auch für emissions- und störungsintensive Vorhaben, nicht verfügbar. Wenn es sie gibt, sind sie oft Privateigentum und damit für eine aktive Standortpolitik, die den technologischen Wandel strategisch begleitet, nur sehr bedingt geeignet. Daher ist die Inanspruchnahme bislang nicht baulich genutzter Flächen erforderlich. Die Ausweisung „regionaler Gewerbeschwerpunkte“ im Regionalplan verfolgt dabei das Ziel, die am besten geeigneten Flächen zu bestimmen: Standorte, die relativ geringe Eingriffe in Freiraumfunktionen erfordern, verkehrsgünstig gelegen sind und zu den Anforderungen der ansässigen Wirtschaft passen.

Standort Aichelberg
Sowohl die regionale Perspektive als auch der Bedarf der örtlichen Unternehmen sind wichtig. Bei ihrer Fortschreibung des Flächennutzungsplans (FNP) haben sich die Gemeinden des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Bad Boll mit einem Standort an der Anschlussstelle Aichelberg befasst. Das Gebiet liegt unmittelbar nördlich der A 8, ist damit hervorragend angebunden und kann erreicht werden, ohne die Ortschaft zu durchfahren. Gemeinsam mit dem Verband Region Stuttgart wurde eine Lösung für die gewerbliche Entwicklung des Teilraums an der Anschlussstelle erarbeitet unter Berücksichtigung einer Standorteignung für regionalbedeutsame Vorhaben. Mit Ausnahme von Bad Boll wollen sich die Gemeinden – dies sind Aichelberg, Dürnau, Gammelshausen, Hattenhofen und Zell unter Aichelberg – an der Entwicklung eines interkommunalen Gewerbestandortes beteiligen und haben bereits entsprechende Grundsatzbeschlüsse gefasst. Die Regionalversammlung hat nun beschlossen, dass ein Änderungsentwurf des Regionalplans mit Festlegung eines regionalen Gewerbeschwerpunktes. Dafür müsste ein regionaler Grünzug reduziert werden.

Standort Mundelsheim
Die Geschäftsstelle des Verbands Region Stuttgart wurde im Rahmen der Haushaltsverabschiedung im Dezember 2020 beauftragt, die Ausweisung eines regionalen Gewerbeschwerpunktes an der Anschlussstelle der A 81 in Mundelsheim zu prüfen, das Interesse der Gemeinden zu klären und ein entsprechendes Planänderungsverfahren vorzubereiten. Dabei geht es um einen neuen regionalen Gewerbeschwerpunkt „Benzäcker“. Zusätzlich dazu wird nun auch der bestehende Gewerbeschwerpunktes „Ottmarsheimer Höhe“ betrachtet. Durch einen koordinierten Betrieb der beiden Gewerbegebiete könnte ein qualitativ abgestimmtes Gewerbeflächenangebot geschaffen werden: mit kleinteiligen Nutzungen im noch verfügbaren Bereich der „Ottmarsheimer Höhe“ und Vorhaben mit größerem Flächenbedarf im Gebiet „Benzäcker“. Die Gemeinden des örtlichen Zweckverbandes, zu denen aus der Region Stuttgart Besigheim, Gemmrigheim, Mundelsheim und Wahlheim gehören, haben in einem „Letter of Intent“ bereits ihre Bereitschaft signalisiert, die Gebiete gemeinsam zu entwickeln. Für den Bereich eines möglichen regionalen Gewerbeschwerpunktes „Benzäcker“ legt der Regionalplan derzeit noch einen Grünzug sowie ein Vorhaltsgebiet für Landwirtschaft fest. 

Was bedeuten die Beschlüsse der Regionalversammlung?
Vor der Erarbeitung des konkreten Planentwurfs werden zunächst die Träger öffentlicher Belange über die Einleitung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt. Diese „frühzeitige Unterrichtung“ ermöglicht es den entsprechenden Stellen, den Verband Region Stuttgart über geplante oder bereits in der Umsetzung befindliche Maßnahmen, die für die Planänderung von Belang sein könnten, vorab zu informieren. Die eigentliche Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, Gemeinden und Umweltverbände sowie der Öffentlichkeit erfolgt dann erst ein einem weiteren Schritt, wenn die Regionalversammlung die Offenlage eines Änderungsentwurfs beschließt. Die Geschäftsstelle des Verbands Region Stuttgart würde anschließend das insgesamt dreimonatige öffentliche Beteiligungsverfahren durchführen. Die Bewertung der während des Verfahrens eingereichten Stellungnahmen und die Abwägung der verschiedenen Interessen erfolgt wieder durch die Regionalversammlung.

Stimmen aus der Regionalversammlung
„Es ist eine zentrale Aufgabe der politischen Ebenen, Unternehmen Raum für ihre Entwicklung zu schaffen“, sagte Jan Tielesch (CDU/ÖDP). „Zugleich stehen wir als Regionalversammlung in der Verantwortung, einen Ausgleich zwischen Wirtschaftsinteressen einerseits und dem Landschaftsschutz andererseits herzustellen.“ Der Vorwurf, leichtfertig Flächen zu opfern, sei immer schnell erhoben, habe aber wenig Substanz. „Die heutige Einleitung der Änderungsverfahren für Regionale Gewerbeschwerpunkte ist nicht mit einem Freibrief für jegliche Planungen versehen“, so Tielesch. Stattdessen steige man in ein geordnetes Verfahren ein, um die Träger öffentlicher Belange und die Öffentlichkeit anzuhören. „In Aichelberg und in Mundelsheim schaffen wir die Möglichkeit, Unternehmen große zusammenhängende Flächen anzubieten, die in dieser Form in der Region nicht mehr zur Verfügung stehen“, so Regionalrat Tielesch. Darüber hinaus seien die Standorte verkehrlich bestens angeschlossen, innerörtliche Belastungen werden vermieden. „Die Region Stuttgart war und ist die Kernregion und der Motor Baden-Württembergs als Ort für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur, Sport, Wirtschaft und als Verkehrsdrehscheibe“, so Tielesch. Die Region Stuttgart müsse aber vor allem auch ein Versprechen für die Zukunft sein, für heutige und kommende Generationen, für Ideen und für Neues. „Dafür braucht es Raum, Zeit und Entfaltungsmöglichkeiten.“

Ingrid Grischtschenko (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sprach sich gegen die Änderung des Regionalplans aus: „Wie will die Region Kommunen zum Flächensparen bringen, wenn man ihr vorwerfen kann: Ihr macht doch selber die Tür auf in eure Grünzüge“, so die Regionalrätin. Es sei bekannt, dass der Strukturwandel in der Region bereits stattfindet. „Die Transformation der Schlüsselindustrie ist in vollem Gang und neue Arbeitsplätze und neue Ausbildungsplätze mit neuen Umsätzen sollen Gesundheit und Wohlstand sichern“, sagte Grischtschenko. Aber dafür seien keine zusätzlichen Flächen notwendig:  „In den im Jahr 2015 festgelegten vier Regionalen Gewerbeschwerpunkten entlang der A 81 zeichne sich eine bauliche Entwicklung nur vereinzelt ab – warum weisen wir dann ein fünftes aus?“, fragte die Regionalrätin. Zudem hätten bereits jetzt viele Betriebe Puffer für Erweiterungen. „Statt in die Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft zu gehen, revitalisieren wir die Leerstände. Das ist der Idealzustand.“ Es gehe bei Landschaftspflege und beim Naturschutz im großen Stil um „unsere Lebensversicherung“, so Grischtschenko. „Die biologische Vielfalt und die Landwirtschaft sorgen dafür, dass unsere Böden fruchtbar bleiben, unsere Ernährung gesichert ist, die Lieferketten kurz sind und unser Klima nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht kommt.“

Die Fraktion von Wilfried Dölker (Freie Wähler) stimmte den Beschlussvorschlägen für beide Standorte zu. „Wenn wir eine der stärksten Wirtschaftsregionen in Europa und im Land bleiben möchten, darf es bei Gewerbeansiedlungen und strukturellen Veränderungen im Gewerbebesatz keinen Stillstand geben“, so Dölker. Denn Stillstand sei Rückschritt. „Die angeblichen Reserven in bestehenden Gewerbegebieten gibt es nicht, sie sind zudem in fast allen Fällen nicht frei verfügbar“, ergänzte er. Zudem ermöglichen die Beteiligungsverfahren eine gründliche Umweltprüfung. „In beiden Fällen wird es im Rahmen der Bebauungsplanverfahren Ausgleichskonzepte geben.“  Dass der regionale Grünzug angepasst und zurückgenommen werden müsse, sei auch der weiträumigen Ausweisung der regionalen Grünzüge geschuldet. „Beide Standorte liegen zudem unmittelbar an der Autobahn und sind so ohne Ortsdurchfahrten vom gewerblichen Verkehr erreichbar“, so Dölker, der sich ein zügiges Verfahren wünschte.

Regina Traub (SPD) erwartet von dem Verfahren umfangreiche Informationen und Anregungen für eine Abwägung. „Auf Grundlage dessen entscheiden wir im Anschluss in der Regionalversammlung, ob wir diesen Eingriff mittragen können oder nicht“, so Traub. Entsprechend stimme man dem Beschlussantrag zu. Denn: „Um den Strukturwandel zu bewältigen, fehlen gerade für die Schlüsselbranchen Flächen, die zeitnah und zügig erschlossen und genutzt werden können“, sagte Traub. Diese müssen nicht nur auf dem Plan existieren, sondern in der Realität verfügbar sein. „Um aber einen regionalen Grünzug aufzuheben, muss erarbeitet werden, wie sich die Eingriffe auf die Schutzgüter auswirken“, sagte Traub.  Zudem betonte sie, dass für ihre Fraktion eine smarte Infrastruktur mit gemeinschaftlichen, flächeneffizienten Einrichtungen für den ruhenden Verkehr sowie mehrgeschossiger, modularer Bauweise von Produktions- und Lagergebäuden, oberste Prämisse sei.

„Die Wirtschaft ändert sich weltweit rasant“, so Holger Dorn (AfD). Viele Unternehmen werden in den kommenden Jahren Arbeitsplätze abbauen. „Daher ist es Aufgabe der Region neue Arbeitsplätze zu schaffen“, sagte Dorn. „Wir brauchen Entwicklungsmöglichkeiten für neue Unternehmen.“ In der Region herrsche aktuell ein eklatanter Mangel an geeigneten Flächen. Es wäre fahrlässig, darauf zu spekulieren, dass durch den Wirtschaftswandel auch irgendwann Gewerbeflächen freiwerden. „Wir können es uns nicht leisten, so lange zu warten“, sagt der Regionalrat.  „Es ist verständlich, dass niemand vor seiner Haustür ein neues Gewerbegebiet mit entsprechendem Lärm und Verkehr haben möchte.“ Die davon betroffenen Menschen davon zu überzeugen werde nicht leicht sein, sei aber notwendig.

Hartfrid Wolff (FDP) befürwortet die Suche nach Gewerbestandorten in der ganzen Region. Wichtig sei für ihn eine sachliche Abwägung der unterschiedlichen Belange und diese wolle der Verband Region Stuttgart auch: „Die vorliegenden Beratungsunterlagen sind argumentativ, klar gegliedert, verständlich und faktenreich.“ Seine Fraktion stehe dafür, dass es für die Region nur eine einzige Strategie gibt, die Menschen wie Firmen, Erfolg und wirtschaftliche Sicherheit bringen könne: „Optimale Ressourcennutzung für optimale Wertschöpfung. Klimaschutz inklusive“, so Wolff. „Heute wird beschlossen, das Verfahren zur Regionalplanungsänderung einzuleiten: Im Moment sind alle Optionen offen. Am Ende ist entscheidend, die Menschen zu überzeugen“, sagte Wolff weiter. Die Region Stuttgart könne zur Modellregion für modernes „Arbeiten und Leben“ werden.

Sebastian Lucke (DIE LINKE/PIRAT) und seine Fraktion lehnen Änderungen des Regionalplans und den Ausverkauf des regionalen Grünzugs für eine kurzfristig orientierte Gewerbeflächenpolitik ab. „Überdimensionierte Neuausweisungen von Produktionsanlagen, umgeben von ländlich geprägten Gemeinden, gehören in die Wirtschaftspolitik des vergangenen 20. Jahrhunderts“, so Lucke.  Spannend sei jedoch der Ansatz der Teilrücknahme eines bestehenden Gewerbeschwerpunktes und dessen Renaturierung als regionaler Grünzug. „Im konkreten Fall von Mundelsheim müsste man hier sehr genau auf den Qualitätsgrad des Flächenausgleiches und die damit verbundenen Begleitmaßnahmen schauen“, sagte Lucke. Entsprechend enthalte sich seine Fraktion beim Standort Mundelsheim bis zur weiteren Klärung dieses zentralen Punktes. Beim Standort Aichelberg stimme man gegen die Beschlussvorlage.

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